kritiken
KULTUR-PORT.DE, Februar 22
04.02.2022
Klassik Musik – wissen was zu hören lohnt CDs KlassikKompass Eos Guitar Quartet: El alma de Paco Geschrieben von Redaktion - Freitag, 04. Februar 2022 um 08:39 Uhr
Der Gitarrist Paco de Lucía brachte den Flamenco in seiner instrumentalen, virtuosen Spielart seit den 1980er Jahren einem Publikum näher, welches bis dahin vor allem Jazz und Rockmusik hörte. 40 Jahre danach liefert das schweizerische Eos Guitar Quartet eine Hommage an den legendären spanischen Musiker. Mehr noch: Für zwei Stücke konnte die „Grande Dame” des Flamencogesangs Carmen Linares gewonnen werden. Für die rhythmische Unterstützung sorgt der Perkussionist Ricardo Espinosa. Der künstlerische Blickwinkel dieser neuen, vielgestaltigen Produktion kommt definitiv aus dem Heute. Sieben Jahre nach Paco de Lucías Tod ließen sich die Schweizer
Gitarristen neue Stücke im Geiste Paco de Lucías auf den Leib schreiben.
Leo Brouwer, John McLaughlin, José Antonio Rodríguez sowie zwei
Mitglieder aus den eigenen Reihen stellten sich dieser künstlerischen
Herausforderung. Die Resultate, die hier zumeist in
Weltersteinspielung und sprühender Vielgestalt zu hören sind, sagen vor
allem eins: Flamenco ist ein weltoffenes, musikalisches Menschheitserbe:
Zugleich lebt in diesen Stücken – ebenso in der erstaunlichen
Saitenkunst des Eos Guitar Quartet – ein lebendiges Miteinander aus
alter Tradition, neuer Improvisationstechnik, aus der Volksmusik
mehrerer Kulturen, ebenso aus der Klassik. Schon eine einzige
Konzertgitarre kann – virtuos und temperamentvoll gespielt – im Flamenco
Berge versetzen. Wenn die vier Gitarristen des Eos Guitar Quartet ihr
Spiel im gleichberechtigten Kollektiv vereinen, wird die Magie noch
ausgeweitet. Dabei sind Julio Azcano, Marcel Ege, David Sautter und
Michael Winkler ausgeprägte individuelle Charaktere, deren Anliegen in
einer experimentierfreudigen Spielauffassung zum Ausdruck kommt. Das
lange Eröffnungsstück des Albums „El alma de Paco" (dt.: Die Seele von
Paco) trägt die Handschrift des großen, aus Córdoba stammenden
Konzertgitarristen José Antonio Rodríguez und öffnet schon gleich zu
Beginn allen Raum für die filigrane Spiellust des Eos Guitar Quartet.
Wenn die Musiker am Ende laut "Paco!" rufen, lässt dieser Regieeinfall
die Aura legendärer Liveauftritte von Paco de Lucía aufleben, an dessen
Ende das Publikum oft den Namen seines Gitarren- Idols begeistert
ausrief. Als exklusives Highlight verschafft sich auf diesem
Tonträger die außergewöhnliche Stimme der „Cantaora" Carmen Linares
Gehör. Zunächst in David Sautters Stück „Aixa, Fátima y Marién” – einer
neubearbeiteten Komposition auf der Grundlage eines Lieds von Federico
García Lorca, dem legendären Dichter aus Granada. Ein zweites Mal erhebt
Sängerin Carmen Linares im späteren Verlauf des Programms ihre
leidenschaftliche Stimme – diesmal in einer Komposition von Marcel Ege,
die in den Peteneras „Café de Chinitas“, aus dem populären Liederbuch
von Federico García Lorca wurzelt. Quartettmitglied Marcel Ege
hat sich für weitere Neukompositionen mit alten Stilen beschäftigt, um
seine Bulerías „Medianoche" sowie ein Tanzstück im Seguiriya-Stil mit
dem Titel „El alba" zu kreieren. Gianvincenzo Cresta und Martin Pirktl –
letzterer ein ehemaliges Mitglied des Eos Guitar Quartet – widmen sich
in einer Neubearbeitung drei Tänzen von Manuel de Falla. Der Kubaner Leo
Brouwer ist schon seit Jahren von den herausragenden Qualitäten des Eos
Guitar Quartet überzeugt. In seiner dreiteiligen Suite „El quejío del
poeta duende – In memoriam Paco de Lucía" setzt er der Gitarrenlegende
ein weiteres Monument, nicht ohne noch mehr Spurenelemente des Flamencos
offen zu legen – etwa die Tanzfigur des Fandango, die wiederum Luigi
Boccherini und Domenico Scarlatti inspiriert hat. Bekanntlich übte auf
beide italienische Komponisten die archaische andalusische
Musiktradition eine magische Anziehungskraft aus. Ebenso ermöglicht
Brouwers neues Stück ein Wiederhören mit den Rondeñas, jenen markante
Spielfiguren, mit denen Paco de Lucía seine Konzerte eröffnete. Zum
Finale des Programms bringt John McLaughlin seine hohe Wertschätzung
für das Eos Guitar Quartet mit der für diesen Anlass entstandenen
Komposition „Soñando con el sonido" zum Ausdruck. Der britische
Jazzgitarrist wurde seit den 1970er-Jahren von indischer, aber auch
andalusischer Musik stark beeinflusst. Vor allem die Kollaboration mit
Paco de Lucía vermittelte ihm den entscheidenden Impuls, um solche
Einflüsse mit dem westlichen Publikum zu teilen. Das Eos Guitar Quartet
sorgt mit seinem Album „El alma de Paco” für eine mitreißende Neuauflage
derartiger Horizonterweiterungen.
Eos Guitar Quartet Im Jahr 1988 vereinten sich in Zürich
die Gitarristen Marcel Ege, Martin Pirktl, David Sautter und Michael
Winkler zum Quartett und benannten sich nach kurzer Zeit nach Eos, der
griechischen Göttin der Morgenröte. Im Jahr 2013 trat Martin Pirktl aus
dem Quartett aus und wurde durch den aus Argentinien stammenden
Gitarristen Julio Azcano ersetzt. Das Eos Guitar Quartet betätigte sich
2011 bis 2014 als Organisator des Festivals „InGuitar" in Winterthur. Es
genießt „als eine der wenigen herausragenden Formationen seiner Art“
(Basler Zeitung) eine hervorragende internationale Rezeption und spielt
auf Konzerten und Festivals in Córdoba, Havanna oder Moskau. 2015
bestritt das Ensemble eine größere China-Tournee. Bisher veröffentlichte
das Quartett acht Tonträger. Die Liste prominenter und sehr
verschiedener Musiker-Persönlichkeiten, die ihre Stücke dem Eos Guitar
Quartet bislang gewidmet haben, ist imposant – etwa Egberto Gismonti,
Pierre Favre, Fred Frith, Christy Doran, Ralph Towner, Wolfgang
Muthspiel, Sérgio Assad oder – last but noch least – Paco de Lucía
selbst.
|